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Fotografieausstellung mit
Raymond Gantner, Thai Ho Pham, Günter Schmid, Holger Zimmermann
Ausstellungsdauer
17. Oktober – 13. November 2015
Finissage
13. November 18 – 21 Uhr
Kann ein Massenphänomen Kunst sein? Seit der Erfindung der Fotografie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befassen sich Künstler und Publikum mit dieser Frage. Was erhebt einen Alltagsgegenstand, der Teil unserer täglichen Wahrnehmung ist zum Kunstgegenstand? Wo sind die Grenzen zwischen Kunst und Kommerz? Sind diese Grenzen überhaupt noch zeitgemäß? Im digitalen Zeitalter, wo Handykameras und digitale Vermarktungsformen immer verfügbar und leicht zu bedienen sind, ist die Fotografie einerseits beliebiger geworden doch, gleichzeitig im Kunstmarkt geschätzter denn je.
Nehmen wir als Beispiel die Porträtfotografie, genauer gesagt, das Selbstporträt. Der Drang zur Selbstdarstellung ist ein urmenschliches Phänomen. Die ersten Selbstporträts von Künstlern wie Albrecht Dürer oder Parmigianino zeugen von den Anfängen des Individualismus und der selbstkritischen Beobachtung des eigenen Ichs. Heute ist das Zurschaustellen des eigenen Körpers eher der Gier nach Selbstdarstellung und Aufmerksam geschuldet.
Thai Ho Pham widmet sich in seiner Serie „Kreislauf der Banalität“ dieser neuen Art des Porträts, indem er mit der Kamera aufgenommene Porträts und Selbstporträts verfremdet. Der Künstler druckt zufällig ausgesuchte Schnappschüsse auf Leinwand und übermalt diese mit Ölfarbe. Durch diesen Akt schafft Thai Ho Pham ein Spannungsfeld zwischen dem klassischen Motiv der Porträtmalerei und der unbesonnenen Art der Handyfotografie. Er separiert die Fotos aus dem trivialen Kontext und erhebt sie so aus ihrer Trivialität in die Kunst.
Eines der klassischsten Themen der Fotografie ist die Architekturfotografie. Als Teil des Architekturdiskurses nahm die Fotografie von Baudenkmälern vor allem eine dokumentarische Funktion ein. Der Fotograf Günter Schmid zeigt neben seinen streng ausgerichteten und mustergültig inszenierten Architekturfotografien auch experimentelle Arbeiten. Dabei zeigt Schmid ein Wechselspiel zwischen städtischen Bauten und urbanem Leben. Schmids Fotografien folgen mit ihrer Symmetrie, der Liebe zu Reihen, Wiederholungen und Zentralperspektive den Prinzipien der Architekturfotografie. Gleichzeitig reichert der Fotograf sie mit stimmungsvollen Farbspielen, spielerischen Details und experimentellen Motiven an. Die Menschen in seinen Bildern eigenen sich die meist städtischen Räume an, in denen sie sich zuweilen verlieren oder in einer entspannten Selbstverständlichkeit aufhalten.
Holger Zimmermann widmet sich in seinen Fotografien ebenfalls der Architektur. Im Gegensatz zu Schmid zeigt er in seinen Motiven keine Menschen. Viel mehr zeigt er Orte, die gerade durch die Abwesenheit von Besuchern eine besondere Bedeutung erlangen. Seine Fotografien von verlassenen Orten erzählen vom Verfall und der Vergänglichkeit. Schwimmbäder, Kirchen und Wohnhäuser, die durch ihre Besucher an Funktion gewannen, sind nach der Stilllegung ihrem Schicksal überlassen und somit ihrer Daseinsberichtigung beraubt. Zurück bleiben Häuser, deren früherer Glanz langsam verblasst. Die Werke zeigen einen morbiden Charme, der von Sehnsüchten zeugt und den Blick stets in die Vergangenheit richtet. Im Laufe der Zeit, durch Vandalismus und Abriss, sind die Orte trotz ihrer Rückwärtsgewandtheit steter Veränderung ausgesetzt. Zimmermanns Fotografien sind somit Momentaufnahmen, die die Vergänglichkeit im Bild fixieren.
Eine ganz andere Art, sich dem Medium Fotografie zu nähern, findet Raymond Gantner. Mit seinen chemischen Analogfotografien verzichtet er gänzlich auf Gegenständlichkeit. Wo Fotografie gerne mit Inszenierung und präziser Planung punktet, macht sich Gantner den Zufall zunutze. Der Künstler löst sich so nicht nur von der an ihn herangetragen Erwartungshaltung, er interpretiert die Fotografie auf neue Art und Weise.
In der Freiheit der Motive und Arbeitsweise knüpft der Fotograf an das Prinzip der Dekonstruktion an. Wie auch die Dekonstruktivisten wagt sich Gantner an das analytische Auflösen von Strukturen bis zur Unkenntlichkeit, propagiert die Bedeutungsfreiheit und den Mut zur sogenannten „Sinnlosigkeit“. Anknüpfend an den Dadaismus kann hier spielerisch mit Sinn und Unsinn, mit Bedeutung und Interpretation der Kunst umgegangen werden und das mit dem dafür untypischen Medium der Fotografie.
Text: Julia Schattauer
Vernissage
16. Oktoberber 2015 18 – 23 Uhr
Titelbild: Raymond Gantner, o.T., 2014, chemische Analogfotografie, 24 x 18 cm
Raymond Gantner, o.T., 2014, chemische Analogfotografie, 24 x 18 cm
Günter Schmid, Kletterparcour, 2015, Fotografie
Thai Ho Pham, Caravaggios Träume, 2012, Ölmischtechnick auf Fotoleinwand, 100x75cm
Alle drei Werke: Raymond Gantner, o.T., 2014, Chemische Analogfotografie, Unikat, 24 x 18 cm
Günter Schmid, BND, 2015, Fotografie, Auflage 5, 30 x 45 cm
Einblick in die Galerieräume
Thai Ho Pham, Caravaggios Träume, 2012, Ölmischtechnik auf Fotoleinwand/ Unikat, 100 x 75 cm Holger Zimmermann, Gelbes Fass, 2008, Fotografie, Auflage 5 + 2 E.A., 30 x 40 cm
Holger Zimmermann, Garderobe, 2009, Fotografie, Auflage 5 + 2 E.A., 45 x 30cm Günter Schmid, Urgent, 2015, Fotografie, Auflage 5, 30 x 45 cm Günter Schmid, Kletterparcour, 2015, Fotografie, Auflage 5,
Thai Ho Pham, Ich wusste nicht, dass es so anders wird, 2013, Ölmischtechnik auf Fotoleinwand/ Unikat, 100 x 70 cm
Holger Zimmermann, Ja, 2009, Fotografie, Auflage 5 + 2 E.A., 40 x 40 cm
Alle vier von Raymond Gantner, Große: o.T., 2014, Chemische Analogfotografie, Unikat, 41 x 30,5 cm, Kleines: o.T., 2014, Chemische Analogfotografie, Unikat, 24 x 18 cm